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Der Meister der Mikroorganismen

Für Selbstversorger ist Fermentieren die ideale Möglichkeit, Gutes aus dem Garten zu konservieren. Einer, der sich damit richtig gut auskennt, ist Sanjay Bösch. Unter dem klingenden Namen „Bacteriosapiens“ fermentiert er in seiner Manufaktur in Lustenau Gemüse, Misopasten und Kombucha – und gibt, wenn die Umstände es zulassen, sein stetig wachsendes Wissen in Workshops weiter.



Wenn die Sprache auf Bakterien, Hefen und andere Mikroorganismen kommt, ist Sanjay Bösch in seinem Element. Seit 2013 beschäftigt sich der 32-Jährige intensiv mit Fermentation. In Kontakt gekommen ist er mit dieser uralten Konservierungsmethode bei seinem damaligen Job am Vetterhof in Lustenau. Dort hat er nach einer Möglichkeit gesucht, das Gemüse, das weder verkauft noch in der Hofküche verarbeitet werden konnte, haltbar zu machen. Auf die Idee zu fermentieren, hat ihn Simon Vetter gebracht. „Eines Tages hat er mir ‚The Art of Fermentation‘, ein Buch von Sandor Katz, in die Hand gedrückt“, erinnert sich Sanjay an den Moment, der seinem Leben eine unerwartete Wendung gegeben hat – seitdem dreht sich bei dem sympathischen Lustenauer alles um Bakterien, Hefen, Edelschimmel und Co.


Umzug in die Sandhofstraße


„Bis vor Kurzem habe ich zuhause gearbeitet“, erzählt der junge Vater, „das hat dann aber Dimensionen angenommen, die mit dem Familienalltag nicht mehr so ganz vereinbar waren“, lacht er. Also ist er letztes Jahr im Dezember umgezogen. Ganz eingerichtet hat sich Sanjay Bösch in seinem neuen Reich in der Sandhofstraße in Lustenau noch nicht. Doch um Misopasten, Kombucha und Kimchi zu fermentieren, braucht es glücklicherweise nicht viel. Und so gärt, blubbert und dampft es in der Manufaktur schon jetzt aus allerhand Gläsern, Tontöpfen und Reifeschränken.


Sanjay bietet uns Kombucha an, ein fermentiertes Teegetränk aus eigener Herstellung. Er schenkt ein und hält sein Glas mit der rötlichen Flüssigkeit gegen das Licht. „Da ist noch ziemlich wenig Kohlensäure drin“, meint er kritisch und nimmt einen Schluck. Auch wir probieren. Der ursprüngliche Teegeschmack lässt sich nur mehr erahnen. Er hat einer milden, tatsächlich nur leicht prickelnden Säure Platz gemacht. „Aber die Enzyme, die so wichtig für den Verdauungstrakt sind, und die ganzen B-Vitamine sind da schon drin. Sogar Vitamin B12.“


Eine der ältesten Konservierungsmethoden der Welt


Fermentieren ist eine der ältesten Konservierungsmethoden der Welt. Doch in Zeiten, in denen Kühl- und Gefrierschränke hierzulande in jedem Haushalt zur Standardausrüstung zählen und wo es ohnehin nahezu alles jederzeit zu kaufen gibt, wäre das Wissen um die Haltbarmachung von Gemüse in unseren Breiten beinahe verloren gegangen. „Sauerkraut und Sure Räba, mehr Fermentiertes hat man bei uns bis vor Kurzem nicht gekannt“, erzählt Sanjay kopfschüttelnd. „Dabei gibt es so gut wie nichts, was nicht fermentiert werden könnte.“ Auch der Arbeitsaufwand ist überschaubar. „Beim Sauergemüse geht’s eigentlich nur darum, das Gemüse zu zerschnippeln und zu salzen,

damit möglichst viel Saft austritt“, erklärt Sanjay. „Dann muss man das saftige Gemüse

so fest wie möglich in ein Gefäß quetschen, bis es vollständig mit Saft bedeckt ist. Dann

alles luftdicht verschließen und bei Raumtemperatur stehen lassen – und schon hat

man den idealen Lebensraum für Milchsäurebakterien geschaffen. Nach 24 Stunden spätestens fängt das Ganze an zu arbeiten.“ Das Spannende dabei: Fermentieren macht

das Gemüse nicht nur haltbar, sondern stabilisiert im Gegensatz zu anderen Konservierungsmethoden auch die darin enthaltenen Nährstoffe.




FERMENTIEREN MACHT GEMÜSE

NICHT NUR HALTBAR, SONDERN

STABILISIERT IM GEGENSATZ ZU

ANDEREN KONSERVIERUNGSMETHODEN

AUCH DIE DARIN ENTHALTENEN NÄHRSTOFFE


Auch proteinhaltige Lebensmittel lassen sich fermentieren. Sanjay etwa stellt auf diese Weise verschiedenste Arten von Misopasten her. Dazu werden die Rohzutaten, in der Regel Sojabohnen und eine Getreideart, mit einer Edelschimmelkultur, dem „Koji“, geimpft. Ein darin enthaltenes Enzym spaltet das Protein auf und setzt Glutamin frei, eine essenzielle Aminosäure, die für den typischen „Umami“-Geschmack sorgt. Daneben wird Stärke in Einfachzucker umgebaut und Bakterien und Hefen können ihre Fermentationsarbeit leisten. Sein Koji züchtet Sanjay natürlich ebenfalls selbst. „Dort

drüben läuft gerade ein Test mit Buchweizen-Koji“, sagt er und deutet in Richtung eines kleinen Reifeschranks, aus dem es beachtlich herausdampft.


Kreativ konserviert


Experimentiert hat Sanjay immer schon gerne. Nicht nur beim Koji, auch bei den anderen Zutaten für seine Misopasten wird Sanjay kreativ: „Vorhin habe ich gerade mein erstes Mais-Miso abgefüllt. Ist gut geworden“, sagt er und hält uns einen Löffel mit der nach Hefe duftenden, grobkörnigen Paste zum Probieren hin. „Das ist die perfekte Grundlage für Suppen oder zum Würzen, man kann darin auch Tofu marinieren.“ Vor allem aber tut man damit, wie mit so gut wie allen fermentierten Lebensmitteln, seiner Verdauung einen großen Gefallen. „Durch die Fermentation nehmen wir unserem Darm viel Arbeit ab. Einige Inhaltsstoffe werden durch die Vorarbeit der Mikroorganismen für unseren Körper viel einfacher oder überhaupt erst verwertbar. Was da biochemisch im Hintergrund abläuft, ist Wahnsinn“, gerät Sanjay ins Schwärmen.


Seine Leidenschaft für und sein bemerkenswertes Wissen über Fermentation gibt der Autodidakt normalerweise auch in Kursen weiter. „Ich freue mich schon, wenn es endlich wieder möglich ist, Workshops abzuhalten“, sagt er. Und bis es so weit ist, gibt es sicherlich schon wieder einige Neuheiten aus der Bacteriosapiens-Manufaktur zu berichten.


„FERMENTIEREN

IST EINE DER ÄLTESTEN

KONSERVIERUNGSMETHODEN

DER WELT“

Sanjay Bösch


Sanjay Bösch, Bacteriosapiens Lustenau www.bacteriosapiens.com



Geschichte aus: B’sundrig – das Sutterlüty Magazin, Nr. 99 (März/April 21)

Text: Carmen Jurkovic-Burtscher

Fotos: Christian Kerber


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